Musiker und Interviews...Das folgende Interview mit Tom Jenkinson aka Squarepusher stammt aus der De:Bug und ist eines der faszinierendsten, die ich bisher von einem Musiker gelesen habe - er entwickelt das Gespräch über seine neue Platte zu einer grundlegenden philosophischen Reflektion über den Entstehungsprozess von Musik und der Schwierigkeit, über diesen zu sprechen. Squarepusher Interviewt von Tomonori Shiba in De:Bug 107 (11/2006) Tom Jenkinson ist jemand, der in Clubs auf Menschen zukommt und ihnen einfach so ins Gesicht brüllt. Und dann ab in seinen Latschen, wohin auch immer. In seinem von Breaks und Jazz geprägten Universum ging immer viel, für manche in letzter Zeit zu viel. Jetzt ist der Mann aus England zurück. Mit einem Album, das so zugänglich ist, dass man fast mit ihm kuscheln möchte. Dein neues Album "Hello Everything" scheint die Essenz der Vorgänger zu sein. Wie ist deine Einschätzung? Wenn eine Platte einmal veröffentlicht ist, ändern sich meine Gefühle dazu. Es wird automatisch einfach zu einer weiteren Platte in meiner Sammlung. Ich fühle nie eine Art von Stolz, wenn es einmal veröffentlicht ist. Ich löse einfach meine emotionale Bindung. Was allerdings nicht heißt, dass es mir nachher keinen Spaß mehr macht, sie zu hören. Manchmal entscheide ich mich, sie aufzulegen, aber meine Bewertung ist dann nicht anders, als wenn ich eine Platte von jemand anderem höre. Meine alten Tracks haben da keinen Heimvorteil. Andererseits, wenn ich grade an etwas Neuem arbeite, dann gibt es nichts, um das ich mich mehr kümmern würde. Meine Konzentration, um alles perfekt zu machen, ist so nah am Absoluten wie möglich. Das heißt allerdings nicht, dass jeder einzelne Track meiner persönlichen Vision von perfekter Musik entsprechen würde. Es geht mir eher darum, dass der Track so gut wie möglich seiner eigenen Strategie folgt. Was eine eher figurative Art ist, darüber zu reden, denn einige meiner Tracks haben nicht wirklich eine bewusst ausgedrückte Strategie und der Versuch, ihre Strategie zu beschreiben, wäre ein Zirkelschluss. Zum Beispiel: Das Kriterium, ob ich Spaß am Musikmachen habe, hängt offensichtlich vom Inhalt meiner Arbeit ab. Der Inhalt wiederum hängt aber von der Inspiration zum Weitermachen ab. Und das wiederum ist davon abhängig, ob ich Lust darauf habe, usw. Ich denke, das grade beschriebene Phänomen ist auch generell gültig, wenn es ums Beschreiben von Musik geht. Will man über Musik diskutieren, muss man Analogien bilden, um die Brücke zwischen den an sich verschiedenen Sphären des Verbalen und des Musikalischen zu bauen. Es ist natürlich immer möglich, die technischen Details, die Methoden der Synthese, den harmonischen Charakter eines Stücks oder ähnliches zu beschreiben. Aber schwieriger ist es, die subjektive Erfahrung, die das Hören von Musik mit sich bringt, zu beschreiben. Die aber gibt - ehrlich gesagt - dem Schreiben über Musik überhaupt erst Relevanz. Diese Beschreibung muss subjektiv sein, aber es gibt keinen Grund zu glauben, dass die eigene subjektive Erfahrung irgendetwas mit der anderer zu tun hat, speziell wenn sie aus anderen kulturellen Backgrounds kommen. Tatsächlich ist das für mich einer der aufregendsten Aspekte daran, Musiker zu sein. Aber auch wenn man das Bedürfnis hat, die Menschen davon zu überzeugen, dass die eigene Sicht die richtige ist, wird man automatisch in endlose Interpretationen in den Medien involviert, wie ein bestimmtes Stück nun verstanden werden sollte. Man hört dem modernen PR-Spiel zu, das versucht, eine spezielle Meinung durchzudrücken, die nicht nur musikalische Gründe hat, sondern ebenso territoriale und finanzielle. Die letztendliche Meinung, auf die man sich einigt, wird ebenso sehr von diesem Spiel beeinflusst wie von der Musik an sich. Ich habe sogar versucht, dagegen anzukämpfen, indem ich so viel Charakter und Einfallsreichtum wie nur eben möglich in meine Arbeit investiert habe. Ich hatte gehofft, dass sie sich so aufgrund ihrer eigenen Verdienste verkaufen würde und nicht, weil sie mit Hype oder Werbung unterfüttert ist. Auf "Ultravisitor" hast du den authentischen Squarepusher-Sound wiederbelebt, indem du den Free-Jazz von "Music Is Rottet One Note" und den Laptop-Sound von "Go Plastic" oder "Do You Know Squarepusher" verbunden hast. Würdest du sagen, dass die Aufnahmen für "Ultravisitor" wichtig für "Hello Everything" waren. Zunächst mal: Auf "Go Plastic" hab ich gar keinen Computer benutzt. Die ganze Platte ist mit einem Yamaha QY700, TX81 einem FS1R, dem Eventide DSP4000 und Orville sowie dem Akai S6000 und einem Mackie-16-Kanal-Mixer entstanden. Und, was genau soll der "authentische Squarepusher-Sound" sein? Sieht man mal davon ab, dass du offensichtlich über mich nachgedacht hast, würde es mich amüsieren herauszufinden, ob dir da irgendwer zustimmt. Wenn es einen Konsens darüber gäbe, dann wäre das für mich ein Grund zu glauben, dass ich mein Hauptziel verfehlt habe: Die Idee der statischen Künstlerpersönlichkeit als völligen Quatsch zu outen. Die Tendenz, sich zu entwickeln, Ideen zu wechseln, musikalische, aber auch andere, das ist das Kennzeichen eines aktiven und intelligenten Geistes. Auch wenn der in der musikalischen Sphäre nicht grade vorherrschend ist. Sobald Musiker ihren "Stil" etabliert haben, scheint es mir, als würden die meisten dazu neigen, den sicheren Weg zu gehen und dabei zu bleiben. Ironischerweise ist es ziemlich uninteressant, die gleichen Ideen immer und immer zu wiederholen. Irgendwann führt es unweigerlich zu Stagnation und die Karriere, die sich auf den eigenen Stil aufbauen wollte, sabotiert sich selbst. Für mich heißt, bei einem Stil zu bleiben, sein eigenes Potential voreilig in den Abfluss zu kippen. Nach "Ultravisitor“ habe ich gespürt, dass es Zeit ist, den kompositorischen Fokus auf einfachere Ideen zu legen. Gab es denn einen anderen Zustand im Vergleich zu den Sessions für "Ultravisitor", eine weniger intensive, mehr offene, unterhaltende Atmosphäre? Ich zweifle ernsthaft daran, dass der Zustand eines Musikers sich in irgendeiner Weise auf die Musik überträgt oder aus den Kompositionen herausgelesen werden kann. Der eigene Geisteszustand beeinflusst zwar offensichtlich den Prozess, aber die akustischen Eindrücke, die ein Hörer hat, mit denen des Komponisten in Einklang bringen zu wollen, ist wirklich zu simpel. Nehmen wir mal Musik, die - zum Beispiel - aus Südafrika während der Apartheid-Ära kam. Wenn ich sie beschreiben müsste, dann würde ich sagen, sie hat eine sehr positive Stimmung. Die Situation, aus der sie stammt, ist aber eher furchtbar. Ein anderer Gedankengang scheint mir da eher zu passen: Die künstlerische Praxis ist etwas, das eine schlechte oder zumindest nüchterne Situation zu etwas sehr Positivem und Schönem sublimiert. Da das Material für beide Platten allerdings aus einer Sammlung von Arbeiten stammt, deren Herkunft sich über lange vier Jahre verteilt, scheint es mir ziemlich unmöglich, daraus eine gewisse Stimmung zu ziehen. Woher stammt denn der Name "Hello Everything"? Ich hatte das Gefühl,
dass dieses Album irgendwie einladender ist als meine anderen. Und ich
habe absichtlich versucht, den untrainierten Hörer nicht einzuschüchtern. Was war das größte Problem für dich in den letzten zehn Jahren? Eins fällt mir sofort ein: Wie geht man mit Journalisten um, wenn man schon interviewed wird? Ich möchte immer möglichst direkt und aufrichtig wiedergeben, welche gedanklichen Prozesse für meine Musik angemessen sind. Zwei sich widersprechende Thesen werfen die meisten Fragen auf. Die erste wäre, dass die eigene Arbeit immer von den eigenen Gedanken dirigiert wird. Dass der Komponist die Kontrolle darüber hat, was beim Musikmachen geschieht. Die zweite scheint mir die Idee der Inspiration zu sein. Das widerspricht dem Musiker als Kontrollinstanz, weil Inspiration ja die eigene Kontrolle unterminiert, man irgendwie in der Zange übernatürlicher oder unbewusster Prozesse ist. Wenn wir mal kurz die Existenz solcher übernatürlicher Mächte außer Acht lassen, dann ergibt sich für mich ein Startpunkt: die konventionelle psychologische Trennung von Bewusstem und Unbewusstem. Will man wissen, welche Methoden und Prozesse zu einem bestimmten Stück Musik geführt haben, muss man eben diese Frage beantwortet haben. Soll der Prozess ein kontrollierter sein oder ein von unbewussten Kräften bestimmter? Wenn die Handlungen also bewusst kontrolliert sind, dann impliziert das einen freien Willen, der sich in der Komposition manifestiert. Wenn sie unbewusst entsteht, nicht. Was mich betrifft, stimmt aber eher eine Mischung aus beidem. Mal bin ich sehr bewusst und führe eine Art eigener Anleitung aus, und manchmal macht sich die Musik von selbst. Dieses Rätsel spiegelt sich in der zentralen Frage nach der Philosophie des Geistes, der geistlichen Ursächlichkeit generell. Die dominante Sicht unserer Welt ist physikalisch. Die Inhalte unseres Universums sollen nur physikalischer Natur sein und so müsste jedes Phänomen in einer Terminologie einer (zumindest möglichen) physikalischen Theorie erklärbar sein. Was ein Gedanke letztendlich ist, ist wirklich eine verblüffende Frage. Nehmen wir mal das physikalische Universum als ein ursächlich geschlossenes an, in dem nichts Nicht-Physikalisches das Physikalische beeinflussen kann. Wie kommt es, dass etwas so unmissverständlich nicht-physikalisches eine Handlung kontrollieren kann? Wie kann etwas außerhalb der Domaine der physikalischen Welt irgendeinen kausalen Einfluss auf physische Dinge wie menschliche Körper haben. Eine Theorie, Epiphänomenalismus, sagt so in etwa, dass die Gedanken ein Echo neuraler Aktivität sind. Es ist eine Illusion, dass eine bewusste geistige Aktivität eine Handlung kontrolliert. Tatsächlich ist der Gedanke eher ein Effekt einer puren physikalisch-neuralen Aktivität. Das ist allerdings eine schwierige Haltung, weil es zumindest eine Einweg-Beziehung zwischen dem Physischen und Mentalen impliziert und man sich zu Recht fragen muss, warum das nicht in die andere Richtung funktionieren soll. Von einer geistigen Handlung zu einer physikalischen, wie man es intuitiv annehmen würde. All das ist für jegliche Versuche, uns selbst zu verstehen, von tiefer Signifikanz. Und es scheint arrogant, einfach anzunehmen, dass eine Antwort die richtige sein könnte. Und dennoch wird von mir erwartet, in einem Interview eine bestimmte Meinung dazu zu haben. Mir kommt es so vor, als würden unsere alltäglichen Belange Unentscheidbares verabscheuen. Selbst wenn wir die Wahl darüber, was wir theoretisch über unsere geistigen Leben denken, aufschieben, wird uns im realen Leben eine Art Vorentscheidung aufgezwungen, oder zumindest sollen wir für sie verantwortlich sein. Unsere Weltsicht lehrt uns, dass die Verbindung von Ursache und Wirkung ein unumstößliches Gesetz ist, weil es nie das eine oder das andere geben darf. Also unterstellen wir uns selbst diesem Prinzip. Wenn wir etwas getan haben oder irgendeinen Effekt in der Welt erzeugt haben, dann muss es dafür eine geistige Ursache geben. Dabei haben wir wirklich manchmal aufrichtig gar keine Ahnung, warum oder wie wir etwas getan haben. Aber uns wird nicht beigebracht, dieses Vakuum der Unwissenheit zu tolerieren. Eine konditionierte oder sonstwie erworbene Tendenz übernimmt sofort, wenn unser Wissen scheitert: die Illusion. Neuere Untersuchungen in kognitiver Psychologie haben z.B. gezeigt, dass die Gründe, die Menschen für ihre Handlungen angeben, viel öfter falsch sind, als sie sich vorstellen. Und warum sollte man also sprechen, wenn man die Antwort nicht wirklich nicht weiß? Kurz gesagt: Menschen
scheinen sich damit wohl zu fühlen, einen Haufen Unsinn von sich
zu geben, besonders in der Musikpresse. Dem will ich mich aber einfach
nicht beugen. Und meine erste Reaktion war, einfach nicht mehr mit Journalisten
zu sprechen. Jetzt ist meine Reaktion die folgende: Ich erwähne oben
genannte Vorbehalte zumindest, um mein eigenes Verlangen nach Aufrichtigkeit
zu stillen, vielleicht sogar das nach akkurater Beschreibung. |